Es gibt zigtausend Texte über unsere Generation. Beschrieben als die Generation, die sich nicht binden will. Die Generation, die als beziehungsunfähig abgestempelt wird. Die Generation, die in 20, 30 oder 40 Jahren wahrscheinlich eine dreifach so hohe Scheidungsquote aufweist- oder keine, weil keiner mehr heiratet.
Ja, wir sind die Generation Tinder. Wir sind auch die Generation, die nicht mehr über Gefühle spricht und wir sind auch die Generation, die sich nicht binden kann- oder will?
Halb aber nicht ganz
Getreu dem Motto lieber jemanden haben, als keinen, suchen wir uns einen Zwischendurch- Partner. Das Problem an einem Sex-Date, einer Freundschaftplus oder an einem One-Night-Stand oder wie auch immer wir es nennen möchten ist, dass wenn ich irgendwen mag, irgendwen date oder mit irgendwem schlafe, dann verpasse ich auch irgendwen anders. Anstatt zu warten bis dieser Jemand, jemand Besonderes wird, jemand Einzigartiges, jemand Unentbehrliches.
Suchen wir uns jemanden, mit dem wir schreiben können. Jemand, der uns Komplimente macht, jemanden mit dem wir flirten. Jemand, der uns vielleicht sogar mag- aber nicht zu sehr. Denn dann können wir uns einbilden nicht so allein in einer anonymen Welt zu sein. Zu zweit einen Film gucken, ist ja eh viel besser.
Wir verarschen uns selbst
Aber nennen wir es nicht Date, denn das soll es nicht sein. Hauptsache was unternehmen, jemanden haben, wenn man wen braucht, aber sonst sind wir ja unabhängig und frei- oder besser gesagt allein. Was uns das bringt? Wir verarschen uns selbst.
Wenn wir nicht allein sein können, sollten wir uns lieber einen Hund kaufen. Aber ein Hund hieße Verantwortung. Wir könnten weniger oft rausgehen, wir wären gebunden. Das ist es, was unsere Generation ja nicht gerne hat. Das Einzige, woran wir uns gerne binden sind Netflixverträge, die passen sich uns an und wir können sie kündigen.
Aber ein Hund oder noch schlimmer ein Mensch, den hat man. Und vielleicht kann man irgendwann nicht mehr ohne ihn. Und vielleicht braucht man einander. Auf einen Menschen muss man Rücksicht nehmen und sich anpassen. Und schließlich müsste man sich selber öffnen. Und dann gäbe es jemanden, der uns vielleicht besser kennt als wir uns selbst, dem wir nicht etwas vormachen können. Eine Bindung macht Angst. Und Angst wollen wir nicht.
Man lebt nur einmal, also lieber nicht binden. Lieber nicht festlegen. Lieber nicht lieben. Lieber nicht fühlen. Lieber nicht Angst davor haben, dass dieser jemand uns irgendwann wichtig wird. Dieser jemand könnte unsere verdrängten Gefühle zeigen. Wir sind doch unabhängig und emotionslos.
Wenn wir mal auf unser Herz anstatt auf unsern Kopf hören, könnten vielleicht mal unsere (richtigen) Gefühle fühlen. Jemand könnte jemand sein, den wir nie wieder gehen lassen wollen. Jemand könnte für uns die Welt bedeuten. Vielleicht würden wir dann mal merken, dass fühlen gar nicht so schlimm ist.
Oder wir könnten merken, wie schmerzhaft Gefühle sein können. Und, dass man eine Fassade der Gefühlslosigkeit nicht immer halten, kann. Dann zum Beispiel nicht, wenn diese Person irgendwann die Bindung beenden könnte und das macht Angst. Dann wäre man ja allein mit seinen Gefühlen. Und bei Angst schaltet unser Autopilot Kopf ein, Gefühle aus. Lieber nichts riskieren.
Diese Art ist nicht ehrlich
Wer niemanden hat, der kann auch niemanden verlieren. Aber, wer niemanden hat, der hat auch niemanden. Ein Körper, der die Arme um dich legt, gibt dir ein anderes Gefühl, als jemand, der dich so umarmt, als würde er dich nicht mehr gehen lassen wollen. Jemand, der dich morgens weckt, indem er abhaut, gibt dir ein anderes Gefühl, als jemand, der sein Leben lang neben dir aufwachen will.
Such dir jemand, der dir in die Augen schaut, jemand dessen Lächeln du nie vergessen willst. Jemand, der dir das Gefühl gibt, der eine jemand zu sein. Der Jemand, den man nie verlassen will. Der jemand für den man alles tun würde. Ein jemand, den du richtig lieben kannst.
Ich glaube das größte Problem unserer Generation ist, dass wir uns selbst verloren haben. Um jemanden lieben zu können, muss man erst sich selber lieben. Und, wenn man seinen Körper nicht mag, weil er nicht den Instagram Trends folgt oder sein Ego von den Likes abhängig macht.... Dann müssen wir uns nicht wundern, dass wir uns selbst verloren haben in einer Scheinwelt mit Instagramfilter.
Wir sollten dazu stehen, dass wir manchmal alleine sind
Was bringt uns ein Follower, ein Abonnent oder 100 gefällt mir? Einsamkeit im echten Leben. Wir sollten anfangen wieder miteinander zu reden über Gefühle und über Zukunft, damit wir wissen wem wir gegenüberstehen. Wir sollten darüber reden, wie wichtig wir uns sind und sagen, was wir uns zu sagen haben. Wir sollten dazu stehen, dass wir manchmal alleine sind und traurig darüber, dass wir so einsam sind.
Aber vor allem sollten wir uns eingestehen, dass dieses „ich will was unabhängiges und mich nicht binden"- Getue einfach nur selbstverarschen ist. Niemand will es zugeben, aber jeder sucht nach der großen Liebe, dem Seelenverwandten, dem Einen. Aber Mr. Right wird sich nicht in die Warteschlange von Tinder-Sexdates stellen. Und für Mr. Right musst du bereit sein. Bereit ihn zu nehmen, mit all den Risiken und Konsequenzen.
Wir sollten unser Leben leben ohne Angst vor Verletzungen. Wir sollten nicht Wolke 4, sondern Wolke 7 wollen und wir sollten nicht jemanden, sondern jemand Richtigen wollen. Lasst mal ehrlich zu uns selber sein.
Quelle: http://www.huffingtonpost.de/kathy-f-/wie-wir-uns-selbst-verars_b_9873696.html