Tödliche E-Mail
Sie saß am PC wie fast jeden Abend.
Immer wenn sie nach Hause kam,
setzte sie sich an den Computer,
wählte sich ins Internet ein und blieb so lange drin,
bis sie ihre Mutter ins Bett scheuchte.
Aber en diesem Tag war es anders.
Sie hatte sich verliebt.
Es verging kaum eine Minute, wo sie nicht an ihn dachte.
Sie hatte nur seinen Nicknamen im Kopf
und seine Beschreibung.
Andauernd dachte sie drüber nach,
wie er wohl aussehen würde.
Sie hatten nie so richtig über sich selbst geredet,
nie über persönliche Details,
wie genauer Wohnort oder so.
Sie wusste nur, dass er in Deutschland wohnte
wie sie selbst, aber etwa 400km weit entfernt;
zu weit zum Besuchen. Sie konnte ihm vertrauen,
konnte sich los lassen, konnte sich fallen lassen,
wenn sie mit ihm Chattete,
was sie sonst nicht konnte.
In real war sie sehr schüchtern, traute sich kaum etwas zu.
Doch im Chat, wenn sie mit ihm sprach,
dann konnte sie sich richtig fallen lassen
und ihre Gefühle freien lauf lassen.
Doch dass sie sich in ihn verlieben würde,
daran dachte sie nie.
Sie hielt es nicht für möglich, sich in einem Chat
zu verlieben, doch nun war es passiert;
sie konnte nicht dagegen machen.
Es vergingen einige Tage.
Sie dachte pausenlos an ihn;
war schon öfters so nah dran, es ihm zu gestehen,
aber sie schaffte es nie. Doch dann kam der Tag,
an dem sie beschloss, es ihm zu sagen.
Als sie sich nach der Schule an den PC hockte
und in den Chat ging, war er nicht da.
Sie wartete lange, doch er kam nicht.
Sonst war er immer da.
Jeden Tag um die selbe Zeit. Doch heute nicht.
Sie hatte keine Ahnung was dazwischen gekommen war
und befürchtete schon das schlimmste.
Und da kam ihr die Idee, ihre E-Mails nachzulesen.
Sie hatte Post, es war eine Mail von ihm.
Als sie den Betreff las,
stieg in ihr ein eigenartiges Gefühl auf.
Ein mulmiges Gefühl in ihrem Bauch...
Ein Gefühl, das ihr die Luft wegbleiben ließ.
Im Betreff stand:
Es tut mir leid, ich mag dich nicht...
Sie machte die Mail auf...
Na du!
Es tut mir leid, ich hätte es dir schon viel eher
sagen sollen, hätte es niemals so weit kommen
lassen dürfen. Ich bin nicht der, den du denkst.
Ich bin nur ein gewöhnlicher Mensch,
kann mit dir ehrlich gesagt nichts anfangen.
Ich habe dich die ganze Zeit nur belogen.
In Wirklichkeit wollte ich nur jemanden verarschen.
In Wirklichkeit kann ich dich nicht leiden.
Du mit deinem ewigen Gejammer,
du, mit deiner völlig abartigen Sicht zum Leben und allem.
Ich habe mitgespielt, weil es das war, was du wolltest.
Aber ich kann dich nun mal nicht leiden,
deswegen werde ich dich jetzt auch in Ruhe lassen.
Das ist das letzte was du von mir hörst.
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Sie konnte es nicht glauben.
Jedes Wort fühlte sich so an,
als würde ein Messer in ihr Herz stechen.
Es tat so fürchterlich weh, als sie das las.
Die Tränen konnte sie nicht zurückhalten.
Sie rollten über ihre Wangen, bis zum Kinn.
Es fühlte sich an, wie Dornen,
die sich in sie hineinbohrten.
Sie war alleine daheim; zum Glück.
So hätte sie es sich nie getraut, aus dem Zimmer zu gehen.
Und das Weinen konnte sie auch nicht mehr unterdrücken.
Es kam aus ihr heraus,
als hätte sie seit Jahren nicht mehr geweint.
Sie hatte das Gefühl,
als würden diese Worte alles in ihr zerstören, verbrennen...
Sie wollte nicht mehr.
Er war die einigste Person, der sie vertraut hatte.
Der sie alles über sich erzählt hatte.
Doch es war alles nur Show...
Er war nicht real.
Diese Person, die sie liebte, hasste sie.
Sie wollte nicht mehr leben.
Alles, woran sie geglaubt hatte, war eine Lüge.
Und das schlimmste war immer noch,
dass er es ihr so sagen musste.
Er hätte es auch anders tun können..
Aber wieso so?
Und wieso gerade sie und nicht
eine andere naive Chatterin?
Sie sah nicht mehr richtig, ihre Augen waren voller Tränen.
Und in ihr brannte es förmlich.
Sie konnte sich noch daran erinnern,
dass ihre Mutter einmal Schlaftabletten gekauft hatte....
Im Bad mussten sie sein, wie vor einigen Tagen auch noch,
als sie per Zufall gefunden hatte.
Sie setzte sich wieder an den PC, vor ihr der Posteingang ..
Keine neuen Nachrichten...
Der Deckel des Röhrchens spickte weg,
als sie es auf machte. Darin einige weiße Tabletten.
So klein und doch so gefährlich.
Sie nahm sich eine raus und schluckte sie.
Es war ekelhaft, es schmeckte fürchterlich bitter,
aber die Tablette verschwand sofort in ihrem Magen.
Der Rest kann ja nicht schlimm sein, gleich ist es eh vorbei,
dachte sie sich und schluckte den Rest der Tabletten auch.
Wie lange sie da saß und auf Post von ihm wartete
konnte man nicht sagen.
Es mussten Stunden gewesen sein.
Ihr Kopf wurde immer schwerer,
die Augenlider waren so schwer wie Blei.
In ihrem Magen brannte es, doch sie spürte es nicht mehr.
Alles war wie durch Watte gedämpft.
Der Kopf sank auf die Tastatur,
ihre Augen schlossen sich...
Das Herz wurde immer langsamer
alles schlief ein. Für immer.
Man fand sie am nächsten Morgen.
Tot vor dem PC, in der Hand das leere Röhrchen.
Und auf dem Bildschirm eine Nachricht.
Irgendwer musste sie geöffnet haben.
Darin stand:
Hallo!
Gott, was hat denn mein Bruder für ein Mist geschrieben?
Tut mir leid, ich habe das nicht geschrieben...
Glaub mir bitte.. Ich könnte dir niemals weh tun..
Denn ich liebe dich.